Lino- Harnisch

Doppelwandiger Harnisch aus verleimten Stoffschichten, Epic Empires, August 2014, 2017

Diese Seite ist Teil der Baudokumentation der Rüstung, die Anfangsseite wäre hier: Linothorax

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Oben links: 2014, oben rechts 2017. Die unregelmäßige Oberfläche der originalen Frontplatte störte den Eindruck; eine neue mußte her (mit Augen: Follow-Me-Augen).

Diese Rüstung besteht im Wesentlichen aus Schichten von Baumwollleinen und unverdünntem, durchsichtig trocknendem, wasserfestem D3- Holzleim.

Polsterungen sind aus Billig- Isomatte, Bindungen aus Polyesterschnur. Klebstoff: Pattex Klassik, Seitenverschlüsse aus Klettband.

Die Symbole und Runen sind mit Window- Color- Contour plastisch “gezeichnet”, die Oberflächen mit einer Mischung aus 4 Teilen Leim und einem Teil Acrylfarbe versiegelt. Farben: Acryl.

Die einzigen Metallteile sind Hohlnieten, die das Visier am Helm halten und als erste Fixierung der beiden Lagen des Körperpanzers dienen.

Woanders hab ich das Material schon mal mit modernen Schutzwesten verglichen (allerdings ohne zu behaupten, man könne damit auch moderne Projektile aufhalten), denn Komposit funktioniert tatsächlich mehr wie ein heutiger Ballistikschutz als eine Ritterrüstung aus Metall:
Der Leim verklebt die Stoffschichten zu einem untrennbaren Verbundmaterial, das ab einer gewissen Stärke nicht mehr geschnitten werden kann. Eine Spitze kann das Gewebe zwar zunächst durchdringen, wird aber auch irgendwann aufgehalten (siehe den Materialtest: linothorax test).
Was jedoch dem Mittelalter die panzerbrechende Armbrust, ist heute die moderne Feuerwaffe. Gegen so etwas hilft nur, einfach nicht getroffen zu werden.

Verleimte Stoffschichten sind extrem zäh, bleiben aber immer flexibel. Bei einem stumpfen Impakt kommt es deswegen darauf an, ein Kompressionstrauma zu vermeiden, das entsteht, wenn das Material an den Körper gedrückt wird und so Energie überträgt- die Folge wären (wie bei einem Treffer auf ein ohne ausreichende Polsterung getragenes Kettenhemd) Quetschungen, Platzwunden oder sogar Brüche.

Da ich beim Bau bewußt auf Metallteile, die die Flexibilität einschränken würden, verzichtet hab (man könnte sie einleimen oder annieten) hat dieser Harnisch verschiedene “Knautschzonen”, die genug Energie absorbieren, um solche Verletzungen zu verhindern:

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Oben (2014), von hinten gesehen: Brust und Rücken sind doppellagig (Brust 3 Lagen) mit ca 3 cm Luftraum, wobei jede Lage an sich bereits Durchdringschutz bietet. Eine Kompression ist nur schwer möglich, da alle Platten für optimale Energieableitung gewölbt und an strategischen Stellen mit Kanten (“Ridges”) verstärkt sind. Trotzdem kann der Panzer bei entsprechend starker Belastung  “arbeiten” und beult sich hinterher einfach wieder aus.
Die Auflagefläche am Körper ist minimiert, weil die untere Lage aus stark gewölbten Einzelbereichen besteht- nur die “Vertiefungen” zwischen den Wölbungen liegen auf. Sollte tatsächlich genug Energie ankommen, wird die untere Lage dort ebenfalls “arbeiten”.

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Oben (2017), von vorne: eine zusätzliche Frontplatte mit nach vorn gewölbtem “Pfeilabweiser”, neuer Nackenschild und “Schulterklappen” links und rechts auf dem inneren Kragen schließen Lücken, verstärken und (vor allem) verschönern.

Jedes Teil besteht aus 10 - 12 Schichten Stoff, wobei durch Überlappungen und Verstärkungen einzelne Bereiche deutlich dicker sind. Es ist nicht notwendig, bei der Herstellung die Ausrichtung der Kettfäden der verarbeiteten Stoffstücke zu variieren. Der verarbeitete Stoff ist schwarz; das ist bei Farbabrieb am unauffälligsten.

Die reduzierte Auflagefläche der Rüstung auf dem Körper ermöglicht weitgehenden Verzicht auf isolierende Polsterung und läßt kühlende Luft unter den Panzer. Das, die “offene” Konstruktion und ihr Gewicht von nur ca 6 kg machen die Rüstung für den Einsatz in warmem Klima gut geeignet.

Die Seitenplatten der Oberarme sind nicht abnehmbar und ebenfalls gewölbt. Aus Gewichts- und Volumenspargründen sehen sie aus wie eine Afrika- Silhouette anstatt recheckig oder wappenförmig. In der Haupt- Impakt- Zone liegt senkrecht auf einer Polsterschicht eine zweite, handbreite, gewölbte Platte, so das auch hier das 2- Lagen- Prinzip greift. Die Unterkleidung hat eine weitere Polsterschicht auf den Außenseiten der Oberarme.

Natürlich ist diese Konstruktion komplizierter als ein klassischer griechisch/ römischer Linothorax. Die Gründe dafür sind:
- mein Wunsch nach möglichst kleiner Auflagefläche (= Luftunterströmung = Kühlung) bei insgesamt mehr Körperabdeckung als beim Original
- die Verarbeitungsmöglichkeiten des Materials: mit einer Blechschere kann man nicht viel mehr als 10 Schichten Stoff schneiden: ich will aber mehr als doppelt soviele haben
- und schließlich der Wunsch, eine Rüstungsform zu finden, die sich möglichst stark von mittelalterlichen oder euro- antiken Vorbildern unterscheidet: es ist eine Chaosrüstung, die gern “anders” aussehen darf.
Ich rede hier soviel über die Funktion der Konstruktion, weil man sich sonst mit Recht fragen würde, warum ich mir den ganzen Streß antu anstatt auf ein bewährtes Bauschema wie z.B. eine Pseudo- Lorica Segmentata aus dicken Lino- Platten zurückzugreifen- was in erheblich kürzerer Zeit mit deutlich weniger Aufwand zu machen wäre.
Tatsächlich ist das Projekt im Laufe der Entwicklung ein klein wenig außer Kontrolle geraten, weil mir immer mehr “Dinge” aufgefallen sind, was wie mit welchen Formen realisierbar ist. Das Material gibt dem geneigten Bastler viel mehr Möglichkeiten als Metall oder Leder- und alles ist ohne Schmiedeausrüstung oder Lärm sozusagen im Wohnzimmer zu produzieren.
Im Fall dieser Rüstung über einen Zeitraum von 3 Monaten....

Egal- zur Ausführung. Der Helm war fertig und tragbar, und erst dann kann man den Harnisch anfangen- die Teile müssen ständig zusammen anprobiert werden, weil sie sich nicht behindern dürfen.

Schritt 1: Formenbau; encore une fois...

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Links: die untere Lage des Harnischs aus Pappe und Tape.

Im Pflichtenheft stehen:
Die bereits mehrfach genannte minimierte Auflagefläche, damit Luft unter die Rüstung strömen kann (ist mir wirklich wichtig) und definierte Bewegungszonen, in denen der Harnisch “arbeiten” soll, wenn er mit Gewalt geknickt wird.

Deswegen besteht die Form aus einzelnen gewölbten Elementen. Auflagefläche am Körper sind nur die Vertiefungen zwischen den Wölbungen und die integrierten “Schultergurte”.

Es sieht auf den ersten Blick aus wie ein “Musculata”- Panzer, ist aber nicht “muskuliert” sondern die Vertiefungen sind rautenförmig ab Plexus angeordnet. Der Panzer reicht nur bis unter meine Rippen; weiter unten liegt später ein überbreiter “Gürtel”. Auf dem Bild oben erscheint die Lücke zwar groß, aber gekämpft wird leicht vorgebeugt, woraufhin sich der Gürtel über den Panzer schiebt und ausreichend “zu macht”.

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Oben: Wölben von Platten; von links nach rechts
Platte durch untereinanderknicken einzelner Bereiche wölben, den überlappenden Bereich ausschneiden, die Seiten des ausgeschnittenen Bereiches zusammenkleben. Wenn alles ok ist, die Ausschnitte der Platte wieder freilegen und ein spiegelverkehrtes Exemplar herstellen. Die einzelnen Teile werden dann mit Tape zusammengesetzt.

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Links: Verstärken der Wölbungen mit Iso-Matte
Wie sich herausstellte, reichten die mit der Pappe erzeugten Wölbungen nicht aus, um den Panzer wirklich vom Körper zu entfernen (obwohl sie für die Erzeugung der Paßform unverzichtbar sind). Deswegen wurden sie mit Schaumstoffstücken aus Billig- Isomatte verstärkt.

Ob das ausreicht, kann man leider erst am fertigen Werkstück nach Lösen von der Form beurteilen; deswegen sind die Wölbungen eher übertrieben als zu flach gestaltet.
Rechts:
Aufbau des Kragens der oberen Lage über einer Hilfskonstruktion aus Iso- Matte. Wenn der Pappkragen fertig ist, wird der stützende Unterbau wieder entfernt.

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Links: Der erste Versuch, “schwebende” Panzerplatten zu bauen.

Der Plan war, auf Schaumstoffpolster geklebte einzelne Elemente über den entsprechenden Teilen der unteren Lage “schweben” zu lassen und so das 2- Lagen- Prinzip der Knautschzone zu realisieren.

Aber erstens sieht das da leider Sch... aus und wie soll man bitte mit einer “funktionierenden” Rüstung angeben, wenn sie überall Lücken hat, die einen Pfeil oder Stich quasi selbständig in die besonders verwundbaren Bereiche leiten, anstatt ihn abzufangen?

Grande Katastrophe: ein monumentaler, enormer, immenser Fehlschlag, der fast dazu geführt hätte, das das Projekt in der Mülltonne statt auf dem Spielfeld gelandet wäre und eine fast 2-wöchige Denkpause nach sich zog, was meinen Zeitplan ruinierte- Deadlines warten nunmal nicht.

Und das ist dann dabei rausgekommen:

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Oben: Es gibt nur noch 2 Bauteile: die untere Lage mit den Wölbungen und die obere Lage, die aus Brust, Rücken und Kragen besteht. Eingebaute Polster werden unnötig (die grünen Schaumstoffstapel links unter dem Kragen sind nur Stützen, die im fertigen Werkstück entfielen).
Die Schulterplatten werden später auf den Seiten des Kragens aufliegen. Die “Schulterriemen” werden integriert und Scharniere sind nicht vorgesehen; das Material ist so flexibel, das man es zum Anziehen der Rüstung einfach auseinanderbiegen kann (siehe weiter unten).

Schritt 2: Stoff/Leim- Schichten
Dann werden die beiden Bauteile wieder auseinander genommen, auf separate Dummys platziert (ausgestopfte Müllsäcke) und “linofiziert”. Ich zeig hier nur den Bau der komplizierteren unteren Lage.

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Oben Links: Die Form ist komplett getaped (der merkwürdige Anglizismus bedeutet: “mit Klebeband beklebt”), damit der Leim die Form nicht durchfeuchtet oder an ihr haftet. Was man hier schlecht erkennt, ist die Frischhaltefolie, die das Werkstück bedeckt. Sie soll dazu dienen, später das Lino einfacher von der Form zu lösen- aber (edit 1 Jahr später) das ist gar nicht nötig, macht nur Mikrofalten und damit eine weniger glatte spätere Unterseite. Inzwischen verzichte ich auf die Folie und trage die erste Schicht Leim direkt auf das Tape auf.

Oben Rechts: Und nach wochenlangen Vorarbeiten für Helm und Form geht es jetzt endlich los: Zuerst die Vertiefungen: Leim, Stoff, Leim.

“Jetzt- gehts- Lo-hos”- Aufbruchsstimmung! Und lieber nicht daran denken, das ich in 4 Wochen was zum Anziehen brauch und noch eine Menge zu tun ist; die Bilder sind vom 1. Juli, das Spiel ist Anfang August...

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Oben: Die erste Schicht aus einzelnen Flicken hält schlecht auf dem Untergrund (soll sie ja auch nicht), aber wenn sie trocken ist, geht es mit der nächsten viel besser. Links die Vorderseite, rechts der Rücken. So wenig Leim wie möglich, damit es keine Tränen gibt. Der Leim ist unverdünnt. Die unebene Oberfläche kann nicht mit großen Stoffstücken bezogen werden; mit solchen Streifen (ca 20 cm lang und 3-4 Finger breit) kann man aber arbeiten. Sie werden überlappend aufgeleimt und härten zu einem zusammenhängenden Bauteil aus.
Das Problem bei Überlappungen ist: jede davon ist eine Schicht mehr. Legt man viele davon übereinander, entstehen Wülste, was man nicht möchte. Insofern macht es Sinn, auf den nächsten Schichten die Überlappungen anders zu anzuordnen bzw sie später, wenn man größere Stoffstücke verbaut,  gezielt in Bereichen zu verwenden, die verstärkt werden sollen.

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Oben Links: Der durchsichtig trocknende Leim und der schwarze Stoff erzeugen ein schwarz durchgefärbtes Werkstück. Falls später Farbe abgeht, erscheint der Abrieb unauffällig.
Kein Stück Stoff paßt genau; alles nur ungefähr mit leichtem Überstand.

Oben Rechts: Deswegen trimme ich alle 2- 3 Schichten das Werkstück mit einer Schere am Rand der Form. Der genaue Zuschnitt erfolgt erst am fertigen Bauteil- was ich mir leisten kann, da ich nur so dick baue, das eine Blechschere es gerade noch beißen will.
Bei den Harnischteilen hab ich nach 4 Schichten das Werkstück von der Form gelöst, damit der Trocknungsprozeß auch von unten einsetzen kann. Trotzdem bleibt es zum Weiterarbeiten und Trocknen auf dem Dummy.
4 Schichten Lino sind weich. Viel zu weich. Man fragt sich frustriert, wie sowas mal eine Rüstung werden soll und wirft besorgte Blicke auf den Zeitplan.
Also: mehr Schichten. Die Antwort auf die meisten Fragen beim Linothoraxbau lautet:

“Bau mehr Schichten”.

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Links: Ein Unfall

Luftblasen. Hier sind sie bereits aufgeschnitten. Sie entstehen, wenn Stoff nicht richtig mit der Unterlage verbunden wird, sich über Vertiefungen spannt und so trocknet. Blasen können nicht ignoriert werden, weil sie den Charakter des Verbundwerkstoffes zerstören.

Maßnahme: alles Material über den Einschlüssen abschneiden, eventuelle Leimtränen abschleifen und mehr Schichten drauf.

2 Schichten pro Tag sind möglich: eine morgens vor der Arbeit und eine abends nach Dienstschluß. Man sollte also nur so viele Bauteile auf einmal am Start haben, wie man in ca einer Stunde beschichten kann.

Hände reinigen: einfach waschen. Kein Vergleich mit Pattex- verschmierten Fingern (hier nehm ich billigen Nagellackentferner).

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Schritt 3: Zusammensetzen der beiden Lagen
Oben Links: die untere Lage, Mitte: die obere. Die obere Lage des Panzers wird zunächst mit Hohlnieten befestigt; Stabilität erhält sie aber duch aufleimen von mehr Schichten Stoff. Die Nietpunkte liegen deswegen an den Enden der “Verästelungen” im unteren Bereich. Wenn die obere Lage positioniert ist, werden die nächsten Schichten Stoff sowohl die Verästelungen als auch die Zwischenräume bedecken und so aus beiden Lagen ein unlösbares Bauteil machen.

Oben Rechts: Beide Lagen vernietet. Die obere Lage steht leicht unter Spannung und hebt sich so auf die geforderten 2 Fingerbreit Luftraum von der unteren ab. Sieht allerdings immer noch nicht wirklich cool oder funktionell aus...

Man erkennt rechts schon den unregelmäßigen oberen Rand des Kragens. Weil sich bereits beim Bau der unteren Lage ein Symmentrieproblem abzuzeichnen begann, bin ich auf die Idee gekommen, der Rüstung keine geraden Kanten zu geben, sondern alle Ränder auch asymmetrisch zu wellen. Das trägt zu ihrem fremdartigen Charakter bei: immerhin ist die Gottheit des Kriegers der berüchtigte “Veränderer der Wege”; und nebenbei werden leichte Symmetriefehler kaschiert.

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Oben Links: Die Hohlnieten an den Verästelungen der oberen Lage

Oben Rechts: Bedecken der Zwischenräume der Verästelungen mit Stoff/Leim und Herstellen einer einheitlichen Oberfläche. “Glatt” ist sie allerdings nicht geworden...
Die asymmetrische Spitze unten ist nicht verleimt- sie gehört zur Knautschzone und “arbeitet” bei einem Impakt. Die Öffnungen dienen außerdem als Wasserablauf, falls längere Zeit mal oben was reinregnet.

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Oben: das Zwei- Lagen- Prinzip der vorderen Knautschzone.
Links: von der Seite.
Mitte: Blick von oben auf die Vorderseite.
Rechts: von oben auf die Rückseite.
Der provisorische Bindfaden dient der Stabilisierung. Damit die obere Lage des Panzers überall Abstand hält, ist sie unter Spannung so aufgesetzt, das sie eigentlich nach hinten fallen und vorne Kontakt herstellen möchte. Solche Bänder hindern sie daran. Bei einem Impakt wird deswegen die gesamte Kragenkonstruktion nicht nach hinten geschoben, sondern ellyptisch verformt- was später die Wölbungen der Oberarmplatten noch weiter erschweren.
Bei der fertigen Rüstung hat sich die Position der Halteschnüre noch verändert: der bessere Platz ist hinten Mitte links und rechts an der Rändern der oberen Lage.
Die hintere Knautschzone funktioniert anders: Die Außenlage stellt relativ einfach Kontakt zur inneren her, aber die starken Wölbungen beider Rückenplatten bieten keine Möglichkeit, Energie an den Körper weiterzuleiten und wiederstehen so dem Impakt.

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Oben: Seitliche Verschlüsse des Panzers mit selbstjustierendem Klettband
Nach der Montage der beiden Lagen des Harnischs wird er an den Seiten unter den Armen aufgeschnitten. Erst jetzt kann man ihn anprobieren. Paßt. Gut.
Verschlossen wird er mit breitem Klettband. Beide Seiten sind zu öffnen, in der Praxis macht man zum Anziehen aber nur eine auf.
Dazu wird Klettband auf eine ausreichend große Stoffunterlage genäht und sicher verleimt. Die Hakenseite (am Vorderteil) zeigt dabei nach außen und liegt beweglich neben dem Panzer . Die Flauschseite zeigt nach innen und ist direkt auf den hinteren Teil  geleimt.

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Oben: Links das Vorderteil mit überstehendem beweglichen Klettband (Hakenseite nach außen), Rechts das Rückenteil mit fest verleimtem Klettband (Flauschseite) an der Innenseite.
So verschwindet der für Fantasy viel zu moderne Verschluß komplett aus der Sicht, der Panzer schließt nahtlos, kann allein angezogen werden und die halb- bewegliche Montage der einen Seite sorgt dafür, das das Klettband sich automatisch in den optimalen Winkel einstellt.

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Oben: eine letzte Leimschicht für die Innenseite. Man sieht, wie weit der Panzer auseinandergebogen werden kann. Der Leim trocknet durchsichtig. Nach mehrtägigem Tragen und Kontakt zu nasser Kleidung veränderte sich die Farbe auf weiß, nach dem Trocknen wurde der Leim  wieder durchsichtig. Die Konsistenz veränderte sich zu keinem Zeitpunkt.
Ich hätte diese innere Leimschicht mit einem viertel schwarze Acrylfarbe mischen sollen, dann wäre das Problem (das, weil von außen nicht sichtbar, eigentlich keins war) nicht aufgetreten.
Die Klettbandbefestigungen sind hier bereits angebracht.

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Schritt 4: Die seitlichen Platten
Oben:
Die “Scheuerzonen” der Schulterplatten auf den Seiten den Kragens könnten zu übermäßigem Verschleiß führen und Farbe abreiben. Deswegen werden sie mit hölzernen Abstandhaltern beklebt, die wiederum mit einer Schicht Lino gesichert werden.
Hierauf werden jetzt erst die Oberarmplatten gebaut und angepaßt.
Auf den “Schultergurten” liegt Klettband, das später zur Anpassung der Position der Platten benötigt wird. Wenn alles feststeht, wird es verleimt und weiter verstärkt.

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Oben Links: Die Formen der Platten aus gewölbter Pappe, Klebeband und Frischhaltefolie (würde ich heute ohne Folie komplett tapen und wäre damit glücklicher). Jede Platte hat ein eigenes Set, damit man sie gleichzeitig produzieren kann.
Die obere Platte soll durch eine Polsterschicht getrennt senkrecht auf der unteren verklebt werden. Das Polster aus Billig- Isomatte ist kleiner als die Platte und verschwindet später völlig in einer Schattenfuge.

Oben Rechts: 12 Schichten später: Die Grundplatte ist in der Klebezone des Schaumstoffpolsters nicht beleimt (genauso wie die Unterseite der Deckplatte), damit das Polster mit Pattex angeklebt werden kann. Der Rest kriegt eine Leimoberfläche.

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Oben Links: Runen und Symbole aus Window- Color- Contour. Versiegelt mit einer Mischung aus 4 Teilen Leim und einem Teil schwarzer Acrylfarbe.
Oben Rechts: Der Vollständigkeit halber die bemalte Platte- aber das dauert noch...

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Oben: Eine montierte Platte von unten. Von ihrer Mitte führt ein zusammenhängendes Stück Lino (3 Schichten) nach oben und teilt sich in 2 unzerreißbare Gurte (umleimte Gewebegurte).
Diese Gurte setzen vor und hinter der Schulter auf der unteren Lage an. Ihre korrekte Position wurde zunächst mit einer provisorischen Befestigung aus Klettband festgelegt, dann alles verleimt und mehrfach beschichtet. So kann die Platte nicht nur wie eine klassische Schulterglocke nach oben geklappt, sondern stufenlos verschoben werden und den Bewegungen der Arme gut folgen.
Eine Schnur führt unter dem Oberarm durch und hindert das Panzerteil daran, sich zu sehr zu bewegen.

Die Verwendung von umleimten Gurten und Stücken von flexiblem Lino aus nur 3 Schichten statt normaler Gurte oder Lederriemen bewirkt, das alle Aufhängungen sich trotz ihrer Länge tatsächlich nur bewegen, wenn sie es sollen und nicht bei normalem Gehen zu sehr “arbeiten”. So sind die übergroßen Seitenschilde gut unter Kontrolle.

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Oben Links: Blick von unten in den Harnisch

Oben Rechts: Von oben. Die Seitenplatten werden oben vorne und hinten von losen Schnüren stabilisiert, die nur in Aktion treten, wenn der Bewegungsradius der Platte begrenzt werden muß. Von außen sieht man die Befestigungsknoten.

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Oben: Einer von 6 chinesischen oder Josephinenknoten. Eigentlich ein großflächiger Zier- und kein “Halteknoten”- es sei denn, man verleimt ihn....

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Oben: Bilder von der Testphase. Die Rüstung ist zusammengesetzt, aber noch nicht verziert und bemalt. Die Tests dienen der Ermittlung der richtigen Ansatzpunkte der verschiedenen Befestigungen, der benötigten Länge der Begrenzungsschnüre (hier noch signalgrün und provisorisch) und der Festlegung der tatsächlichen Form aller Panzerplatten.
Die Korrekturmaßnahme lautet: So lange Ränder abschneiden, bis man sich gut bewegen kann. Erst wenn alles funktioniert, wird bemalt und verziert.

Oben Rechts: Blick von oben ins Dekolletée. Es gibt noch keinen gepolsterten Kragen, so das man gut sehen kann, wie wenig die untere Lage am Körper anliegt und welchen Abstand die vordere Panzerplatte hält.

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Oben: der Bewegungsbereich der Seitenplatten von hinten nach vorne. Eine der Erkenntnisse: die Frontplatte vor dem rechten Arm ragt zu weit raus und wurde zurückgeschnitten.

Schritt 5: Verzieren und Bemalen

Unten Links: Verzierungen werden mit Window- Color- Contour aufgebracht. Das Material ist flexibel (schließlich ist es eigentlich für Fensterbilder gedacht), haftet aber nicht zuverlässig.

Unten Rechts: Deswegen wird die Oberfläche mit einer Mischung aus 4 Teilen Leim und einem Teil schwarzer Acrylfarbe versiegelt. Die Farbe verändert die Konsistenz des Leims zu “noch zähflüssiger” und läßt die Linien mit der Oberfläche “verschmelzen”. Ein entsprechend hartes Impakt- Ereignis kann diese Oberfläche natürlich beschädigen, aber Polsterwaffentreffer fallen nicht in diese Kategorie.

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Oben: Die eigentliche Bemalung erfolgt mit unverdünnter Acrylfarbe.

Ursprünglich war geplant, das “verlaufene” Farbschema des Helms zu übernehmen, aber wie soll das auf so großen Flächen umsetzbar sein: untere Hälfte Gold und obere Blau, aus der einzelne Verlaufsspuren nach unten führen? Außerdem würden dann die Symbole “getarnt” und wären nicht mehr deutlich sichtbar. Blöde Idee. Also Blau mit goldenen Runen.

Oben Links: Drybrush Gold. So werden alle Linien hervorgeboben

Oben Rechts: Und dann malt man das Blau drumrum. Viel Arbeit, aber es gibt ein besseres Ergebnis als Blau anmalen und dann mit Gold die Linien ziehen. Später kommt noch ein wash Schwarz (stark verdünnte Farbe, die sich in die Vertiefungen legt) und “Schmutz” dazu.

Es gibt keine Lackierung, damit eventueller Farbabrieb vor Ort in der nächsten Spielpause mit Acrylfarben restauriert werden kann. War aber gar nicht nötig.

Nachtrag 2018: Weiterbauen...

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Oben: 2014 und 2017. Wie schon gesagt: Die originale Oberfläche hat mir (und nicht nur mir, hüstel) nie wirklich gefallen...

Und nach 2 Jahren rumhühnern (... obere Schicht abnehmen? Abschleifen? Verdicken? Alles neu bauen? ... argh!) präsentierte sich eine elegante Lösung:

“Bau einfach eine dritte, diesmal schöne Platte und kleb sie oben drauf, Blödmann”. Na denn:

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P_Lino_HarnischN_06

Oben links: Formenbau. Auf dem Original entsteht die neue Platte. Sie ist gewölbt und der obere Rand hat eine pfeilabweisende, nach außen gerichtete Kante.

Oben rechts: Die Form ist mit Tape bezogen. Man 2 senkrechte, stabilisierende “Ridges”, aber die sollen später nicht auffallen.

Und das Wichtige: Diese Platte wurde im Liegen mit Komposit beschichtet, das erzeugt eine bessere Oberfläche (war allerdings beim Bau des Harnischs nicht möglich).

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Links: Die gerade getrocknete Platte wird erst in einigen Wochen ihre Endfestigkeit erreichen und ist flexibel genug, um sich dem Untergrund gut anzupassen- vorausgesetzt, sie wird festgespannt.

Die Farbschicht der unteren Platte wurde abgeschliffen, damit der Leim nicht auf dem Acryl, sondern Komposit klebt.

Sicherheitshalber hab ich später noch oben rechts und links durchgebohrt und Halteschnüre angebracht, aber die wurden bisher nicht gebraucht...

Danach kamen noch innere Schulterklappen und Nackenschild (unten, die neue Rückseite).

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Soviel zum Harnisch. Und weil eine Rüstung nicht nur aus Helm und Harnisch besteht, gibt es in dieser Dokumentation noch eine vierte Seite für die Anbauteile; Link: Linothorax- Anbauteile

Oktober 2014, Januar 2016, Okt 2016, Mai 2018

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