Linothorax

Funktionsfähige Rüstung aus verleimten Stoffschichten, Epic Empires 2014, 17, 18

Auf dieser Seite geht es um die Konstruktionsprinzipien meiner Körperpanzerung aus Stoff/ Leim- Komposit. Die Einleitung zum Themenbereich wäre hier: Linothorax- Kompositrüstung.

Obwohl mein gezielt die Flexibilität des Materials ausnutzender  “Leinenpanzer” (unten der Stand 2017) in seiner Form erheblich vom klassischen griechischen Tube- and- Yoke- Vorbild abweicht, möchte ich ihn aufgrund der zum Bau verwendeten Zutaten doch als “Linothorax” bezeichnet sehen:

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Ich verwende das Wort ab jetzt übrigens auch für das Material an sich und noch schlimmer: kürze es sogar mit “Lino” ab; erstens machen das alle anderen auch und zweitens ist “Verbundwerkstoff aus verleimten Stoffschichten” irgendwie... Datenverschwendung.

“Lino” für Fantasy- Larp bewegt sich selbstverständlich weniger im Bereich der seriösen Rekonstruktion sondern lebt vom Eindruck - schließlich verwenden wir auch Polyestergarn, Nähmaschinen, chromgegerbtes Leder, moderne Stähle und Pattex.
Zum Linothoraxbau gibt es heutzutage Baumwollleinen und wasserfesten D3- Leim- also lassen wir nochmal Gnade vor Authentizität walten (wir wissen sowieso nur, wie sie aussahen, aber nicht genau, woraus sie bestanden) und begeben uns in den nächsten Baumarkt.

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Und warum hab ich keinen klassischen Linothorax gebaut, sondern sowas Merkwürdiges?

Inzwischen (wo ich einen echten gesehen hab) bin ich ernsthaft in Versuchung. Was für ein praktisches Stück Ausrüstung! Ich glaub, ich möchte einen...
Für diesen Feldzug allerdings wollte ich “etwas Anderes”, möglichst exotisches (einen Chaoskrieger) und wußte im Voraus, das uns nicht nur antike Hopliten, sondern auch gerüstete Wikinger, klassische Mittelalter- Ritter und stahlgepanzerte imperiale Paladine gegenüberstehen würden- von Horden von Orks, kriegerischen Elfen, Landsknechten und Reihen von Musketieren ganz zu schweigen... glücklicherweise nicht alle gleichzeitig (zumindest meistens. Und ich rede vom “Epic Empires”).
Insofern schien “mehr Platte” eine gute Idee zu sein.

Und was ist das hier jetzt für eine Rüstung?

Ein Tempelwächter natürlich. Sieht man doch!
Diese Typen stehen in mehr oder weniger extravaganten Outfits im Hintergrund, werden vom jeweiligen Boß mit gebrüllten Befehlen wie “Los! Sucht sie!” durch Festungskorridore gescheucht oder schleppen auf das Kommando “Schafft sie fort” irgendjemanden ... außer Sicht.

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Sie fallen von Zeit zu Zeit dem sich anschleichenden Helden zum Opfer - falls sie mal wieder Helme tragen, in denen man nichts sehen kann. Meiner ist allerdings sichtoptimiert, in welchem Fall gilt: “Herr, diesen Eindringling haben wir am Tor/ unter dem Tisch/  wo auch immer/ gefangen”.

Gern versperren sie auch mit gekreuzten Stangenwaffen und dem Klassiker “Halt! Wer seid Ihr und was wollt Ihr” Passanten den Weg und sorgen allgemein dafür, das die Chefs gut aussehen, intakt durchs Gedrängel kommen, Fremde, die sie nicht mögen, nicht selber umbringen müssen beziehungsweise umgekehrt den Leuten auf ihrem Altar in Ruhe die Kehle durchschneiden können.

Cooler Job, oder?

Der hier trägt Farben und Symbole einer der Chaosgottheiten der Warhammer- Welt, was ihn bei objektiver Betrachtung wohl zu einem der Bösen macht.

2014 war ich von den Materialeigenschaften sofort so begeistert, das ich versuchen wollte, nur aus Stoff und Leim eine funktionierende Rüstung zu bauen, die tatsächlich Schutz gegen echte Waffen bietet- obwohl das für Larp natürlich nicht wirklich nötig ist.  Ich hab dabei bewußt auf Verstärkungen aus Metall und Anbauteile aus Schaumstoff verzichtet und probiert, die Flexibilität des Materials nicht als Schwäche zu sehen, sondern gezielt zu  nutzen (später mehr dazu).

Meine Rüstung unterscheidet sich nicht nur in der Form, sondern auch in mehreren Konstruktionsmerkmalen vom antiken Vorbild. Die möchte ich hier noch erklären, aber die eigentliche Entstehung woanders zeigen, damit man nicht ewig scrollen muß.
Deswegen zweigen die Baudokumentationen “Helm”, “Harnisch” und “Anbauteile” als eigene Seiten von dieser hier ab. Die Links unten führen direkt hin:
Helm: Linothorax- Helm
Harnisch: Linothorax- Harnisch
Anbauteile: Linothorax- Anbauteile

Das Konstrukt ist stark Asien- inspiriert und ich nenn für Interessierte die Namen der jeweiligen Originalteile, die Pate gestanden haben- obwohl nicht viel davon übrig geblieben ist. Die Form ist sehr lose an frühe japanische Rüstungen mit festem Harnisch und besonders großen Oberarmplatten angelehnt. Dort wurden im Laufe der Zeit die Harnische flexibler und die Platten kleiner; nur bei Reitern blieben sie groß- sicher nicht ohne Grund, aber darauf hab ich keine Rücksicht genommen.

Außerdem gibt es keine klassischen 2D- Elemente (also Bauteile, die, wenn man sie auf eine glatte Fläche legt, plan aufliegen würden): alle Teile sind mehr oder weniger stark gewölbt, was Flexibilität und Stabilität beeinflußt.

Fester Harnisch “Tanko” mit großen Oberarmplatten “O-Sode”, mit Knautschzone:

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Brust, Rücken und Oberarmplatten sind doppel- oder 3lagig gebaut- mit Luftraum oder Polster zwischen den Panzerschichten.
Ein Impakt- Ereignis muß also zunächst beide Lagen komprimieren (was bereits eine Menge Energie kostet) und dann trotzdem noch 2 Schichten Panzerung knacken, von denen jede für sich bereits Durchdringungsschutz bietet. Diese “Knautschzone” in Verbindung mit der Zähigkeit des Materials steht der Widerstandskraft einer Metallrüstung in nichts nach und ist eher mit einer modernen Körperpanzerung zu vergleichen.

Brust und Rücken bestehen aus nur einem Teil, die Oberarmplatten sind unlösbar daran befestigt. Scharniere sind nicht nötig- die Flexibilität des Materials macht es möglich, den Harnisch zum Anziehen einfach auseinanderzubiegen.

Die untere Lage besteht aus stark gewölbten Teilbereichen, deren vertieft liegende “Trennlinien” die “Bewegungszonen” des insgesamt flexiblen Bauteils bilden- mit anderen Worten: wenn der Harnisch mit Gewalt geknickt wird, arbeitet er nur dort, wo er soll und nicht irgendwo, wo es stören würde (genaueres bei der Dokumentation des Baus auf eigener Seite).

Minimierte Auflagefläche:
Die Wölbungen der unteren Platte bewirken außerdem, das die Rüstung nicht eng am Körper liegt, sondern mich nur an wenigen Stellen berührt, so das Luft unter den Panzer strömen kann, was den Tragekomfort ungemein erhöht.

Im Gegensatz zu europäischen Stahl- Schulterglocken sind die Seitenschilde nicht an nur einer Stelle neben dem Hals befestigt, sondern hängen jeweils an 2 unzerreißbaren Gurten vor und hinter der Schulter am inneren Kragen. So können sie nicht nur hochklappen, sondern auch flexibel angehoben werden.

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Oberarmplatten:
Die übergroßen, gewölbten Seitenschilde “O- Sode” sind aus Platz- und Gewichtsspargründen nicht schildartig oder rechteckig wie ihre Vorbilder, sondern “Afrika- förmig”, wobei Westafrika jeweils nach vorne zeigt. Sie sind ebenfalls 2-lagig, allerdings liegt die obere Lage nur als handbreiter Streifen senkrecht in der Haupt- Impakt- Zone. Diese Streifen sind durch eine Polsterschicht von der unteren Lage getrennt und absorbieren Auftreffenergie tatsächlich besser als eine auf dem Arm liegende Stahlplatte. Das Material kann ebenfalls- auch mit echten Waffen- nicht verletzt werden. Schnüre unter den Oberarmen sorgen dafür, das die Arme sich nicht völlig frei unter den Schilden bewegen können, sondern sie etwa 30 Grad weit “mitnehmen”.
Die Unterkleidung  (siehe unten) hat auf der Außenseite der Arme eine zweite Polsterschicht.

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obere Schulter:
Die  relativ “offene” Schulterkonstruktion (die nebenbei Belüftung gewährleistet) resultiert aus der Flexibilität des Materials und hat kein mir bekanntes Vorbild.
Ich hab mich gegen flach aufliegende Bauteile (die sich einbeulen würden) entschieden, sondern mehrere schräg stehende Lagen Panzerung gebaut, die bei einem Impakt natürlich auch nachgeben, aber dabei schon Energie fressen und trotz Verformung die Schulter gar nicht berühren.
Oben rechts: Bauphase 2: eine auf dem inneren Kragen aufliegende Platte schließt den Panzer nach oben. Man erkennt außerdem die zusätzliche Frontplatte und einen Nackenschutz.

Die Seitenschilde liegen auf einer Reihe auf dem Riesenkragen des Harnischs montierter hölzerner Abstandhalter (um Abrasion zu vermeiden; so wird die “Scheuerzone” minimiert und ist von außen nicht sichtbar). Sie bilden gleichzeitig die oberste Lage der Schulterpanzerung und sind mit den oben erwähnten  2  Gurten fast von ihrer Mitte ausgehend vor und hinter der Schulter auf dem inneren Kragen der unteren Lage des Harnischs befestigt (siehe Baudokumentation). Es gibt außerdem pro Schild 2 lose Schnüre “Tsuru/ Kumihimo”, die den Bewegungsbereich der Bauteile begrenzen, für Stabilität sorgen und nur bei bestimmten Bewegungen straff werden (im Bild gut zu sehen die linke hintere).
Ein Treffer auf die Schulter würde demnach erst beide Lagen Seitenplatte zusammenschieben und dann das Ganze mit Kragen so weit komprimieren müssen, das die (gepolsterte) Schulter tatsächlich verletzt wird. Etwas, das genug Wucht hat, um das zu schaffen, würde mich sowieso samt Superrüstung ins nächste Gebüsch werfen...

Gewicht des Panzers: lächerliche 6 kg.
Nach 13 Stunden am Stück tragen ist er zwar nicht mehr komfortabel, aber das liegt nicht an der Rüstung- man ist einfach erschöpft. Und wenn ich für den Dienst in der wirklichen Welt irgendwann eine Ballistikweste finde, die nach 13 Stunden noch bequem ist, mach ich dem Erfinder einen Heiratsantrag.

Der äußere Kragen  (unten Rechts) wird durch den Bewegungsbereich des Helms definiert, der den Harnisch nicht berühren darf. Wird ein Arm gehoben, bildet die Schulterplatte eine weitere Lage Panzerung bis zum gepolsterten Kragen oder bis zum Helmrand.
Die groß erscheinenden “Spaltmaße” sind notwendig, damit die verschiedenen Bauteile “arbeiten” können: auch bei einer maßgeschneiderten, perfekt sitzenden Rüstung können sie bis zu einer Handbreit am Körper verschoben werden- das kann bei extremen Bewegungen oder Stürzen den Träger sogar verletzen; zum Beispiel sollte man genau wissen, unter welchen Umständen Harnisch oder Kragen “hoch kommen” und die Kehle berühren können. Jede Rüstung hat solche Eigenarten, die der Besitzer kennen muß, bevor die Schlacht beginnt.

Der Helm hat ebenfalls kein historisches Vorbild, ist aber trotz seiner Form durchaus funktionell:
Es gibt keine “Stirnfläche” wie bei einem normalen Helm und der weit vorgezogene “Schnabel” verhindert bei einem Treffer, das ein vorderer Helmrand oder eng liegende Nasalstange auf den Nasenrücken oder ins Gesicht geschlagen werden- ein relativ häufig zu beobachtendes Phänomen. Ein “Quertreffer” verschiebt den Schnabelteil nur leicht auf dem Kopf.
Der Helm kann mit oder ohne Kinnriemen getragen werden. Die Sicht ist hervorragend und die Öffnungen sind gerade so groß, das der Schaumstoffkopf eines Larp- Pfeils nicht durch paßt. Das Futter ist fest eingebaut, der Stoff im Nackenbereich ist luftdurchlässig.

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Bei Helmen gibt es verschiedene Philosophien: Ich tendiere zu leichteren Varianten- wegen des Tragekomforts. Natürlich muß Durchdringungsschutz und Polsterung vorhanden sein, aber ein schwerer Impakt gegen die Kopfseite wird den Kämpfer ausschalten, egal wie dick die Helmwand ist.
“Wir trainieren unser ganzen Leben lang, um zu verhindern, das wir nur ein einziges Mal einen direkten Treffer auf den Kopf erhalten” (GMBN).

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Zum Bewegungskonzept der Rüstung gehört Trennung von Ober- und Unterkörper-panzerung, weswegen es einen überbreiten Gürtel gibt (links, Version von 2014).
Die sind jedoch tückisch, weil man eigentlich keinen Gürtel tragen kann, der mehr als 4 Finger breit ist, ohne sich ernsthaft in der Bewegungsfreiheit einzuschränken (entweder hat man ein Korsett oder die Beine können nicht rchtig arbeiten).
Deswegen ist mein Panzergürtel konkav geformt  (wie die Innenseite eines Rettungsringes): er ist zwar breit, aber nach außen gewölbt: so kann man sich gut “darin” bewegen.

Darüber liegt ein mehrfach gewundener Stoffgürtel “Obi”, an dem auch kleine Taschen oder Seitenwaffen Platz finden. Der Knoten des Obi liegt unter der Tiefschutzplatte und hält sie auf Abstand von der darunter liegenden Unterleibsplatte, so das auch hier wieder das flexible 2- Lagen- Prinzip greift.
Trotzdem eine gewisse Polsterung nötig: sie entsteht durch die Falten des übergroßen Hosenrockes “Hakama” und den ebenfalls gefalteten seitlichen blauen Stoffteilen- so sind bis zu 12 Lagen Stoff unter dem Gürtel.

Arm- und Beinschienen (Kote und Suneate) bestanden in der ersten Version (oben) aus mit nur einer Lage Stoff bezogenen Metallteilen, und die einlagigen Seitenplatten waren natürlich unzureichend- mir lief mal wieder die Zeit davon.

Rechts: Die fertige Version von 2015 mit Armschienen aus Komposit, Handschutz und doppellagigen Seitenteilen:
der Gürtel selbst ist nur einlagig, aber die auf asiatische Art seitlich querliegend getragenen Schwertscheiden machen ihn undurchdringlich.

Der Bau des Panzergürtels wäre sowohl in Leder als auch in Metall sehr aufwändig- die plastische Formbarkeit des Komposits und das resultierende flexible, dabei aber für Waffen undurchdringliche nahtlose Verbundteil ist ein gutes Beispiel für die Stärken dieses einzigartigen Baustoffes.

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Das Ensemble ist wie sein entferntes japanisches Vorbild für den Einsatz bei Wärme und Nässe ausgelegt (und der Sommerfeldzug erfüllte diese Vorgaben dann auch perfekt...).
Das bedeutet leichte, schnell trocknende Kleidung und Polsterung nur da, wo unbedingt nötig. Mit entsprechenden Zugeständnissen beim Schutz. Muß man eben besser aufpassen...

Unter dem weiten Hosenrock “Hakama” verbergen sich Schienbeinstulpen “Kyahan”, die enweder die gepolsterten Beinschienen unterfüttern oder die überweiten Beine des Hakama aufnehmen können, um die Schienen dann drüber zu tragen.

Das leichte Untergewand “Shitagi” ist hier ein ärmel- und kragenloses T-Shirt (von denen gibts mehrere zum Wechseln).

Die Mini- Boleroweste hat mit ihrem Vorbild, der gepanzerten Unterweste “Manju no wa” nichts mehr gemeinsam- meine dient nur dazu, den gepolsterten Kragen und die Polsterelemente der Oberarme aufzunehmen (Polster aus Billig- Isomatte, werden mitgewaschen).

Bis auf den Handrücken reichende Ninja- Unterarmstulpen mit Daumenloch “Tekkou” dienen als Unterfütterung für die gepolsterten Armschienen und zum Schutz der Hände.

Gegen Kälte hülfte ein Halstuch (hier nicht im Bild).
Es gibt außerdem einen vorderen und einen hinteren Lendenschurz sowie pro Seite einen blauen und einen weißen Seitenbehang  (alles ungefüttert; echte “Kusazuri” sind normalerweise gepanzert). Vorderer Lendenschurz und seitliche blaue Teile sind fest am Hakama vernäht und sorgen für Gürtelpolsterung.

Unten: Der hintere Schurz und die weißen Seitenteile hängen an einem Gewebegürtel mit Clipschließe, der auch beim Hakama für den nötigen Halt sorgt. Dieses Arrangement ermöglicht ein Justieren aller Teile auch bei geändertem Bauchumfang (z.B. beim Tragen von warmer / wasserdichter Unterkleidung oder plötzlicher Verfettung).

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Oben Rechts: Falsche ausgefranste Säume. Um Abnutzung vorzutäuschen, sind die echten Säume mit unversäumten Stoffresten hinternäht, die theatralisch ausfransen, ohne meine Hose bis zum Gürtel aufzureißen und in eine Art Bastrock zu verwandeln. Der “Schmutz” ist Acrylfarbe und alles was sonst so während des Spiels dazukommt.
Wer weiße und blaue Baumwolle zusammennäht und dann wäscht, kriegt hinterher zur Strafe ein babyblaues Outfit. Bei allen blauweißen Teilen sind die blauen deswegen aus polyesterhaltigem Stoff, der nicht färben kann. Der Hakama wird getrennt gewaschen. Die goldene Farbe auf dem Stoff ist Acryl und hat die Wäsche (30 Grad) gut überstanden- ggf wird sie einfach ersetzt.

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Die Waffe (ein chinesisches Stockschwert) ist eine Einzelanfertigung und paßt sehr gut zur Figur und ihrer Funktion im Spiel.
Gebaut hat sie Jörg von der Chin-Woo-Schule in Lübeck. Ich hab ungefähr gesagt, was ich gern hätte, und er hat dieses Prachtstück weit vor der fälligen Deadline fertiggestellt. Es ist aus dem etwas weicheren Schaumstoff der Waffen aus dem Phönix- System, den ich bevorzuge.

Von angenehm exotischem Flair macht das Ding immensen Spaß in der Anwendung und hat eine Quaste an der Klinge... Kurzvortrag gefällig?

Das Stockschwert “Guan Dao” (Dao = Schwert; in diesem Falle benannt nach dem überaus ehrenwerten General Guan Yu, dessen Waffe angeblich über 40 (!) kg gewogen haben soll) hat es schon vor sehr langer Zeit von der Verwendung auf dem Schlachtfeld in die Paläste geschafft und ist quasi die klassische fernöstliche Festungswachenwaffe. Dabei hat sie mit einem Roßschinder nichts und einer Glefe nur sehr wenig gemeinsam, obwohl man alle Sorten relativ ungestraft als “Helebarden” bezeichnen darf.

Warum diese “Säbel am Stiel” jahrhundertelang innerhalb von Gebäuden (auch in Gängen) eingesetzt wurden, hat seinen Grund in einem überdurchschnittlich breiten Einsatzbereich:
Natürlich machen die Riesenschwerter im offenen Gelände eine gute Figur; wobei sie nicht wie eine europäische Landsknechtswaffe am Stockende, sondern hinter der Klinge gefaßt werden (Ausnahmen sind u.A. Schleudertechniken wie der “1000- Köpfe- Schnitt”, auf den wir im Larp aber verzichten wollen...).

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Allerdings sind sie aufgrund dieser Haltung eben auch für enge Räume wie geschaffen: im Prinzip wird das Schwert hinter der Klinge mit einer Hand gehalten und mit dem gewaltigen Hebelende des Stockes kann ohne raumgreifende Ausholbewegung oder Gewichtsverlagerung eine beeindruckende Menge Energie aufs Ziel übertragen werden- auch auf kleinem Raum.
Das Guan Dao ist sozusagen ein rückstoßfreier Zweihänder für den Zimmergebrauch, mit dem man sich bei Bedarf aber auch was beliebig Großes vom Hals halten, eine Tür aufbrechen oder einen Spießangriff laufen kann- also genau das Richtige für einen Wächter.
Die (abnehmbare) Quaste dient übrigens angeblich dazu, die Gegner zu verwirren. Meine machten allerdings keinen besonders verwirrten Eindruck... .

Ist so ein Linothorax billig?

Nein. 2014 hab ich - ohne Waffe- 400,- € verbraucht, ohne fertig zu werden. Wobei man sagen muß, das das Outfit “von Null” aufgebaut wude. Wenn man bereits bestehende Ausrüstung nur ergänzt, wird es natürlich weniger. Die Kosten im Einzelnen:

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Ikea Tagesdecke “Indira” 15,-
Ikea- Baumwoll- Spannbettlaken blau 8,-
Halstuch blau 5,-
2 Meter Polyesterstoff blau 10,-
1 Meter Leinen blau 10,-
1 Meter weißer Stoff 10,-
Garn Blau 9,-
Flechtschnur 5,-
20 Meter Baumwoll- Leinen (à 5,-) = 100,-
30 Flaschen Leim à 500 Gramm (5,-) = 150,-
Pattex 13,-
Tape 10,-
Window- Color- Contour 12,-
Diverses (Pinsel, Frischhaltefolie, Gurtband,
Schließe, Klettband, Nieten) 15,-
Acrylfarbe Schwarz, Blau, Bronze 9,-
Billig- Isomatte 8,-
3 T- Shirts 15,-

Und? Lohnt es sich?
Aber sowas von! Normalerweise denkt man bei “Rüstung” an Metall oder Leder- beide Materialien erfordern nicht unbeträchtliches Know- How, Werkzeug, ggf lärmgeschützte Werkstätten und sind richtig teuer; Stoff/Leim- Verbundmaterial dagegen kann bei moderaten Kosten überall ohne Arbeitsschutzmaßnahmen, die über “leg was drunter” hinausgehen, verarbeitet werden.
Und man kriegt Panzerungen, die tatsächlich schützen und für Larp so “authentisch” sind wie man es sich nur wünschen kann.
Der Formgebung sind erheblich weniger Grenzen gesetzt als bei Metall oder Leder, und wer mag, kann seinen Lino mit anderen Materialien kombinieren: Metallteile mit einleimen oder draufnieten, Leder ergänzen, die Oberfläche mit Stoff beziehen, als oberste Schicht einen stark bestickten Stoff verleimen (das Muster bleibt erhalten) und für Larp natürlich beliebig Schaumstoffappliken wie Hörner und Spikes anbauen.

Und schließlich:
Das Gefühl, mit einer selbstgebauten, wirklich schützenden Rüstung in die Schlacht zu ziehen, ist sowieso eine Menge Anstrengungen wert.

Bei all meinen großspurigen Behauptungen über eine “funktionierende Panzerung” gebe ich natürlich zu, das diese hier eine “leichte” Rüstung ist, bei der zugunsten von Belüftung und Beweglichkeit auf gepolsterte/ gepanzerte Unterkleidung verzichtet wurde, weswegen die bekannten Problemzonen hier offenbleiben:
Bei einer japanischen Rüstung wären zur Beseitigung dieses Mankos 4 weitere Baugruppen für die Bereiche “Kopfseite/ Hals”, “Achsel/ Arme/ Hände”, “Unterleib” und “Beine” fällig.

Ja und? Griechen und Landsknechte sind damals auch mit weniger ausgekommen- mit oder ohne Schild.

Insofern ist dieser Linothorax ein gangbarer Kompromiß zwischen den leichten antiken Panzern und den schweren Metall- Vollrüstungen des Mittelalters, geeignet für die reichhaltige Opposition in den Spielwelten vom Hopliten bis zum Paladin.

Das Wetter war mit 20+ Grad und einem Regenschauer pro Stunde (Wolkenbruch dafür nur einmal am Tag) zum Draußenspielen eher anstrengend: Man wurde benieselt oder war durchgeschwitzt; die Ausrüstung wurde naß und nie wieder trocken; aber Tests bei schönem Wetter sind sowieso nicht aussagekräftig.

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Fazit:

Mein Linothorax hat sich trotz rücksichtslosester Behandlung und schlechtem Wetter als praktisch unzerstörbar erwiesen.
Das einzige, was passiert ist: Die ungefärbte, unbemalte Leimschicht der Innenseite des Harnischs hat sich, als sie naß wurde, von “durchsichtig” nach “weiß” verfärbt- ohne jedoch die Konsistenz zu verändern.  Nach dem Trocknen war der Leim jeweils wieder durchsichtig und die Innenseite somit wieder schwarz: das zählt nicht als “kaputt”; man hätte das Phänomen durch Einfärben der inneren Leimschicht mit Acrylfarbe verhindern können.

Nur etwas Oberflächenfarbe ist abgegangen; aber so wenig, das während des gesamten Einsatzes nichts renoviert werden mußte (bin ich gar nicht gewohnt sowas...)

Übrigens- ein gewisser Sun-Tzu erwähnt in seiner Kostenaufstellung für eine Armee ausdrücklich Aufwendungen für Kleber und Farbe (Die Kunst des Krieges, Kapitel 2, Satz 1).
Was soll ich sagen: der Mann wußte offensichtlich, wovon er sprach.

Zu guter Letzt: Pflege, Transport und Aufbewahrung:
Nach Einsatzende wurde die getrocknete Rüstung mit einem feuchten Lappen ohne Reinigungsmittel abgewaschen und wieder getrocknet.

Die Gefahr, die einem Linothorax bei der Einlagerung droht, geht von seiner Flexibilität aus: Er könnte “zusammensacken” oder sich in aufgehängtem Zustand auf dem Bügel verformen. Theoretisch ist das nicht schlimm: HPs Linothorax wird liegend geschlossen gelagert und bei Bedarf einfach zurechtgebogen und angezogen; was er die letzten 6 Jahre anstandslos ausgehalten hat- aber ich geh kein Risiko ein:

Transport und Einlagerung erfolgt in einer maßgeschneiderten Pappkiste, die gegen Abschürfungen an den Wänden mit Luftpolsterfolie ausgelegt ist. Die Folie bedeckt nicht den ganzen Innenraum und die Kiste hat Löcher, damit Luft rankommt. Der Panzer paßt genau rein, so das er nicht zusammensacken kann.

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Die Anbauteile stecken in Stoffsäcken (gegen Abrasion, der Stoff ist natürlich ebenfalls luftdurchlässig) innerhalb des Panzers. Der Helm paßt oben mit rein. Der Karton ist unten komplett mit Tape bezogen (falls er mal nasse Füße kriegt) und hat einen Deckel.

Übrigens wurden in solchen Rüstungstruhen (natürlich aus Holz) auch japanische Rüstungen transportiert- aufbewahren tat man sie allerdings in der bekannt- typischen sitzenden “Präsentationshaltung” auf besagter Truhe, was bei mir nicht in Frage kommt.

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Zum Schluß nochmal die ausdrückliche Empfehlung des Materials nicht nur für den Masken- oder Schwertscheidenbau. Rüstungen oder Rüstungsteile aus verleimten Stoffschichten sind eine geeignete Lösung für alles, was nicht ausdrücklich auf Metallrüstung angewiesen ist.

Dieses Jahr (2014) kann ich keinen Leim mehr sehen, aber nächstes bau ich die fehlenden Teile.

Hier gehts zur zweiten Seite der Dokumentation; der Helm. Link: Linothorax- Helm

Oktober 2014, last edit Jan 2015, Jan 2016, Okt 2016, Dez 2016, Mai 2018

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